Sonntag, 8. Januar 2017
Student sein - Single mit Niveau
Vor kurzem startete das Wintersemester. Mein fünftes. Drausen ist es kalt. Arschkalt. Viel zu kalt für mitte November. Keine Spur von diesem Klimawandel. An einem Sparziergang an der frischen Luft oder einer kleinen Radtour zu Freunden bin ich daher nicht interessiert. Letzteres scheidet aber schon auf Grund der Tatsache aus, dass ich Single bin. Päärchenabende heißt dieses neumodische Schauspiel, das derzeit in allen studentischen Wohngemeinschaften allabendlich aufgeführt wird. Als freilebendes Individuum ist man dort ebenso unerwünscht wie überflüssig. Tabu macht ohne Partnerin einfach keinen Spaß. Ich bin daher allein zuhause und liege unter einer warmen Decke eingepackt am Sofa und gucke zum vierundzwanzigsten Mal die erste Staffel der Serie „Two and a half Men“. Der zehnjährige Jake, quasi „the half man“, ist gerade „Sockengolf-Champion“ geworden. Ich habe es bereits geahnt. Unterdessen trinke ich einen Kakao mit Schuss. Amaretto. Als modebewusster Single trage ich dabei nicht mehr als ein T-Shirt, auf dem sich das Mittagessen des Vortags noch gut erkennen lässt – es gab Spaghetti in Bolognesesoße - und eine Jogginghose, die stark nach ungewaschenem Intimbereich riecht. Würde ich ein paar Kilo mehr wiegen, hätte ich natürlich eine hautenge Leggins an. Dann klingelt es an der Haustür. Vor dieser steht nicht wie erhofft der freundliche Pizzamann, bei dem ich wie so oft eine große Pizza Salami mit extra Zwiebeln und Knoblauch bestellt habe, sondern Lydia, eine Freundin von mir, die sich nochmal recht herzlich dafür bedanken möchte, dass ich bei ihrem Umzug geholfen habe. Lydia hatte ich beim Tanz-in-den-Mai des letzten Jahres kennengelernt. Wir saßen am selben Tisch einer Kneipe und guckten das Champions League Spiel der Borussia aus Dortmund gegen die königlichen aus Madrid. Normalerweise wäre sie mir gar nicht aufgefallen - es lief ja Fußball - aber beim Bezahlen des Tischdeckels gab sie an, neun große Bier getrunken zu haben. Das machte sie auf Anhieb sympathisch. Ich bitte Lydia herein und verschwinde schnell im Wohnzimmer um einen Stapel ungewaschene Wäsche auf meinem kleinen Balkon verschwinden zu lassen. Wenige Augenblicke später weise ich Lydia den freigewordenen Platz zu. Nur des Schämens wegen und nicht um ihr zu iponieren, springe ich schnell unter die Dusche. Ich rasiere mich sogar. Denn mir fällt wieder ein: Ich bin Single mit Niveau und ganz bald sogar Akademiker.

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